Wenn sich über der Wunde Fibrin nach der Weisheitszahn OP bildet, dann verwechseln viele das mit Eiter. In Wahrheit handelt es sich um ein sicheres Zeichen, dass die Heilung der Wunde eingesetzt hat.
Der Heilungsprozess beginnt bei gesunden Personen in der sogenannten exsudativen Phasen. Damit sind die ersten Stunden nach dem Eingriff gemeint. Das Fibrin ist eine milchig-weißliche Masse. Diese bildet sich unter anderem an der sichtbaren Stelle über der Wunde. Der gesamte Wundraum, also der Bereich, in dem bis vor kurzem noch der Weisheitszahn steckte, wird damit ausgefüllt. Die Wunde wird mit dem Fibrin akut gegen das Eindringen von Keimen, Bakterien und anderen Krankheitserregern geschützt.
Im nächsten Schritt macht sich das Immunsystem des Körpers daran, einkernige Zellen zu produzieren. Aus diesen Zellen bildet sich die dünne Schleimhautschicht, die später zu der rosafarbenen und gut durchbluteten Zahnfleischhaut wird. Dieser Prozess dauert einige Wochen. Die Wunde heilt von innen heraus ab. Mit verantwortlich für einen typisch verlaufenden Heilungsprozess sind die Fibroblasten. Diese produzieren Kollagen, das die einzelnen Zellen vor schädlichen Einflüssen schützt. Nach durchschnittlich einer Woche ist der akute Heilungsprozess abgeschlossen und die Gefahr einer Entzündung weitestgehend eingedämmt.
Die Fibrinschicht ist vergleichbar mit dem Schorf auf einer Wunde, die sich an der Luft entwickelt. Da im Mundraum ein feuchtes Klima herrscht, ist die Bildung von trockenem Schorf unmöglich. Die Fibrinschicht ist von Patienten auf gar keinen Fall zu entfernen. Sie ist wichtig, damit der Heilungsprozess optimal verläuft. Am besten ist es, den Bereich, der mit Fibrin benetzt ist, nicht anzutasten. Sobald der Fibrinfilm zerstört ist, ist es für den nachfolgenden Prozess (die Bildung einkerniger Zellen, aus denen sich das Zahnfleisch entwickelt) unmöglich, störungsfrei abzulaufen.
Wenn es möglich ist, sparen Patienten 7-10 Tage den Bereich vom Putzen aus und zerreißen die Schicht nicht mit der Zahnbürste oder entfernen sie komplett. Wenn der primäre Heilungsprozess gestört wird, dauert es viel länger, bis der Bereich komplett abgeheilt ist.
Viel effektiver ist es, statt der Zahnbürste eine antibakterielle Mundspüllösung zu benutzen und die betroffene Stelle damit zu umspülen. In der Mundspüllösung dürfen allerdings keine ätherischen Öle enthalten sein. Beim Spülen gilt es, vorsichtig zu sein und die Flüssigkeit achtsam durch die Zähne und über die Wunde zu ziehen. Es besteht die Gefahr, dass sich die Fibrinschicht löst und der Heilungsprozess deshalb unterbrochen oder ausgebremst wird.
Fibrin ist ein nicht wasserlösliches Eiweiß, das im Zuge der Blutgerinnung entsteht. Enzyme wie Thrombin, das aus einem Glykoprotein der Leber entsteht, sind für den Gerinnungsprozess verantwortlich. Das Fibrin entwickelt sich aus dem wasserlöslichen Fibrinogen. Es hat in seiner Endform die Gestalt eines Fadens. Mit einem winzig kleinen Durchmesser von 100 Nanometern – das ist 1/1000 eines menschlichen Haares – legen sich die Moleküle aneinander. Die Fasern sind hochelastisch und ergeben in der Masse ein Geflecht, das die Wunde innen und außen schützt. Jeder Fibrinfaden ist befähigt, sich um das Vierfache zu verlängern. Die Faser ist ausgesprochen flexibel, bevor sie zerreißt. In dieses Netz aus Fibrinfäden bleiben rote Blutzellen stecken. Sie verstopfen das Netz und genau das ist das Ziel. Das Netz aus Fibrin spannt sich und drückt das Blutserum aus den Zwischenräumen heraus. Auf diese Weise verschließt sich die operierte Stelle. Dieser Vorgang klingt komplex, der Körper erledigt ihn innerhalb kürzester Zeit. Es dauert 5-10 Minuten bis der Effekt greift.
Das Fibrin braucht zusätzlich aus anderen Gründen die enorme Flexibilität. Nach einer Operation dieses Ausmaßes ist eine Wunde vielfältigen Belastungen ausgesetzt. Deshalb ist eine schnelle Abheilung wichtig. Wenn die Wunde schneller heilt, verringert sich das Risiko möglicher Komplikationen. Das Fibrin verschließt die Wunde und verhindert wirkungsvoll, dass entzündliche Prozesse stattfinden. Betroffene können diesen Prozess unterstützen, sie können ihn im Gegensatz dazu außerdem ungewollt beeinträchtigen.
Die erste Maßnahme, um den Heilungsprozess zu unterstützen ist also, die Fibrinschicht unangetastet zu lassen. Verständlich ist, dass die operierte Stelle geradezu reizt, dass sie mit der Zunge oder dem Finger abgetastet wird. Es ist besser, das möglichst innerhalb der ersten zwei Tage zu unterlassen.
Zu frühes Essen oder Trinken oder gar Rauchen beeinträchtigen das Fibrin außerdem. Ein wichtiger Helfer für das Fibrin in der Speichel, in dem sich das Protein Histatin befindet. Patienten benötigen ausreichend Flüssigkeit, um genügend Speichel bilden zu können. Milchprodukte, Alkohol, Kaffee und Nikotin greifen das Fibrin an.. Patienten verzichten wenigstens in den ersten 48 Stunden auf diese Lebens- und Genussmittel.